Dienstag, 27. Mai 2014

Günther Jauch: Journalisten sind keine Erlöser, sondern Erklärer

Studenten der BiTS informieren sich bei Jauch vor Ort über das Format Polit-Talkshow


Jauch, Schäuble, di Lorenzo: Gäste der Jauch-Talkshow zur
Europawahl, zu der Studierende der BiTS im
Fach Journalismus eingeladen waren
Studierende des Fachs Journalistik und Unternehmenskommunikation am Berliner Campus der BiTS konnten die journalistische Aufbereitung der Europawahl 2014 live in der Polit-Talkshow Jauch verfolgen. Auf Einladung der Jauch-Redaktion war das Seminar "Journalistische Darstellungsformen im TV" unter Leitung von Fachdozent Carsten Meyer zu Gast im Berliner Gasometer.

Zunächst gab es eine Führung durch Technik und Redaktion. Pünktlich nach dem Tatort übernahm Günther Jauch das Ruder und ging on air. Thema des Abends: Die Europawahl 2014. Die Jauch-Redaktion hatte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und seinen Vorgänger Peer Steinbrück (SPD) eingeladen. Ebenfalls dabei: die Schriftstellerin Juli Zeh (Adler und Engel) und der Deutsch-Italiener Giovanni di Lorenzo, seines Zeichens Chefredakteur der ZEIT und Mitherausgeber des Berliner Tagesspiegels.

Di Lorenzo lieferte denn auch unfreiwillig die Nachricht des Abends: Er berichtete von seinen Wahlen. Ja, genau, Plural. Di Lorenzo wählte auf der italienischen Botschaft, da er einen italienischen Pass hat. Und er wählte in seinem heimischen Wahlbezirk in Hamburg, da er auch einen deutschen Pass hat. Doppelte Staatsbürgerschaft bringt also doppeltes Stimmengewicht bei einer Wahl?

Minister Schäuble rollte verwundert mit den Augen und auch Medienprofi Jauch war sichtlich überrascht. So geht es zu bei Live-Sendungen. Eigentlich sollte die Jauch-Sendung das Thema Europawahl behandeln. Dann aber setzte die Sendung selbst ein Thema, das zu Wochenbeginn Eingang in alle großen deutschen Nachrichtenangebote fand und schließlich auch zu einer Strafanzeige und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen gegen di Lorenzo führte. Der Lerneffekt für die angehenden Journalisten von der BiTS Hochschule war groß. So funktioniert das Nachrichtengeschäft. Das sind Erfahrungen aus erster Hand, die in einer Vorlesung kaum vermittelt werden können. 

Gruppenbild mit Moderator: BiTS Studierende
zusammen mit Günther Jauch, Dozent Carsten Meyer
und Studiengangsleiter Prof. Dr. Becker beim Get Together
Nach der Sendung konnten die BiTS-Studierenden am exklusiven Get Together teilnehmen. Zusammen mit einem entspannten Günther Jauch diskutierten die Nachwuchs-Journos und Fachdozent Carsten Meyer. Neben Details zur Sendevorbereitung des "politischen Hochamts" am Sonntagabend gab Jauch dabei auch einen wichtigen Tipp: Journalisten würden von der Öffentlichkeit oft als Erlöser verstanden, die am Ende eines Beitrags oder einer Sendung eine klare Marschroute für das eigene Verhalten vorgeben sollten. Das sei Quatsch. Ein Journalist könne nur helfen, die Faktenlage zu erklären, aber nicht selbst die komplexen Probleme in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft lösen.

Auch die wesentlichen Punkte im Format Politk-Talkshow erklärte Günther Jauch den Studierenden der BiTS. Im Umgang mit Medienprofis aus Politik und Wirtschaft könne man nicht darauf setzen, in einer Show exklusive Fakten zu erhalten. "Die Gäste wissen genau, wie sie sich in einer Talkhow verhalten müssen und sind speziell bei uns eher defensiv". Aber im Zusammenspiel der Gäste einen spannenden und informativen Gesprächsfaden zu spinnen, der bei den Zuschauern Neugier und Interesse weckt, sei eine wesentliche Aufgabe des Politik-Moderators.

Der Journalisten-Kurs der Berliner BiTS krönte mit dem Besuch bei der Jauch-Talkshow eine Reihe von Exkursionen, die im laufenden Sommersemester durchgeführt wurden: Besuche beim rbb und dem Nachrichtensender n-tv, dem Hauptstadtstudio der ARD-Radiosender und der Online-Redaktion der ZEIT zählten dazu.

Die BiTS (Business and Information Technology School) ist eine staatlich anerkannte Privathochschule an den Standorten Berlin, Hamburg und Iserlohn. Die BiTS gehört zu Laureate International Universities, mit 800.000 Studierenden in dreißig Ländern dem weltgrößten Anbieter von Hochschulausbildung. Am Berliner Campus leitet Prof. Dr. Thomas Becker die Studiengänge Journalismus (Journalism and Business Communication mit Abschluss Bachelor of Arts) und Medienmanagement (Communication and Media Management, Abschluss Bachelor of Science).

Freitag, 2. Mai 2014

Medienmanagement und Marketing: Kommunikationsinstrumente im Marketing und deren Zielbeitrag

Jedes Unternehmen - vom Kiosk um die Ecke über den Hotelbetrieb und den mittelständischen Zuliefer bis zum globalen Konzern - operiert in einer Umwelt. Damit meine ich nicht die natürliche Umwelt im Sinne einer ökologischen Randbedingung, sondern die gesellschaftliche Umwelt: ein Unternehmen, wie groß auch immer es sein mag, braucht eine noch viel größere Umwelt, aus der es seine Ressourcen (Kapital, Mitarbeiter, Vorleistungen) beziehen und in die hinein es seine Produkte absetzen kann. Das erscheint recht plausibel.

Grundlegende Ziele des Marketing-Instruments Kommunikation
(Quelle: Becker 2014, S. 34)

Was ein Unternehmen ist, lässt sich aus verschiedenen Perspektiven beschreiben, immer aber recht präzise: Man kann z.B. mit einer sozialwissenschaftlichen Brille sagen, dass ein Unternehmen ein Zusammenschluss von Menschen ist, die sich gemeinsam an einem Zweck orientieren. Der Zusammenschluss ist klar definiert durch Mitgliedschaft (alle, die per Arbeitsvertrag an das Unternehmen gebunden sind) und Eigentumsanteile.

Der Zweck eines Unternehmens ist ebenfalls sehr präzise zu bestimmen: Ein Unternehmen ist eine Organisation, die primär nach den Regeln der Wirtschaft arbeitet und das heißt ganz konkret: Der oberste Zweck eines Unternehmens ist es, Gewinn zu machen. Um diesen dauerhaften Zweck zu erfüllen, gibt sich das Unternehmen zeitlich begrenzte Ziele, die durchaus weit streuen können. Der Zweck aller Unternehmen (aller Erwerbswirtschaften) ist jedoch absolut identisch und liegt im Generieren von Profit.

Profit ist nicht zu verwechseln mit Mehrwert. Mehrwert entsteht in der Produktion. Man kombiniert Vorleistungen zu einem Produkt und schafft so Wert. Aber erst wenn eine Leistung tatsächlich verkauft ist und der erzielte Preis höher ist als der Aufwand, den man zur Erstellung derselben erbracht hat, entsteht Gewinn.

Kosten und Erlöse lassen sich beide hervorragend in Zahlen ausdrücken, denn sie sind durch Preise messbar. Preise sind das, was jemand bereit ist, für eine Leistung zu zahlen, um im Austausch diese Leistung zu erhalten. Wenn die Preisforderung des Verkäufers und das Preisgebot des Käufers sich entsprechen, entsteht eine Transaktion: ein Austausch zwischen zwei Parteien.

Schauen wir uns jetzt an, wie Unternehmen Einfluss darauf nehmen können, ihren Absatz (Transaktionen mit Kunden) zu steigern (mehr Stück abzusetzen) bzw. den Wert der Transaktionen zu erhöhen (höhere Preise zu erzielen). Wesentliche Handlungsfelder ergeben sich in vier Dimensionen: der Ausstattung des Produkts (Qualität), den Zugang zum Produkt (Ubiquität), dem Preis selbst (Elastizität) und symbolischen Eigenschaften, die das Bild (Image) prägen, das sich die Kunden vom Produkt machen.

Die letztgenannte Dimension wird durch gezielt eingesetzte Kommunikationsangebote beeinflusst. Unternehmen versuchen durch Kommunikationsangebote – Prospekte, Webseite, Anzeigen, Verpackung, Veranstaltungen, Verkaufsmailings, Kundenzeitschriften etc. – Einfluss auf die Einstellung aktueller und potenzieller Kunden zu nehmen, um dadurch das Produkt mit symbolischen Mehrwerten auszustatten, die letztlich zu mehr oder höherwertigen Transaktionen führen sollen.

Gemeinhin wird diese Aufgabe, ein Produkt durch Kommunikation aufzuwerten, dem unternehmerischen Aufgabenbereich Marketing zugeordnet. Marketing ist ein sehr strapazierter Begriff, der zumindest zwei große und sehr unterschiedliche Konzepte umschreibt: Zum einen die marktorientierte Unternehmensführung (Marketing Management), zum anderen den Einsatz von Instrumenten wie Marktforschung oder Werbung, um den Absatz des Unternehmens zu unterstützen.

Die zweite Perspektive ist das, was viele – vor allem kleinere – Unternehmen unter Marketing verstehen: der Einsatz von Mitarbeitern oder Agenturen, um Anzeigen, Broschüren, Logo etc. gestalten zu lassen.

Diese Perspektive darf man nicht ignorieren, weil sie in der Praxis gelebt wird. Sie ist gleichwohl ohne strategische oder strukturelle Relevanz. Marketing als Sachbearbeitungsaufgabe zu verstehen, die Texter und Grafiker umsetzen, ist ähnlich zielführend wie Controlling mit Buchhaltung zu verwechseln oder die Telefonzentrale als Customer Relationship Management zu bezeichnen.

Marketing ist alles, was man tun kann und tun muss, damit sich ein Produkt verkaufen lässt. Das ist die klassische Definition, die Ralph Starr Butler 1910 mit der Einführung des Begriffs Marketing gab. Und das ist die einzige vernünftige Sichtweise, das Aufgabenfeld Marketing zu verstehen.
Verwenden wir diese Sichtweise mit Bezug auf den Einsatz von Medien und Kommunikation, um Produkte quantitativ oder qualitativ aufzuwerten, ergibt sich eine simple Folgeüberlegung: Alles, was ein Unternehmen zielgerichtet kommuniziert, bevor es tatsächlich zu einer Transaktion kommt, ist Bestandteil des Marketing-Instruments Kommunikation. Alles, was ein Unternehmen vor einem Verkauf an Kommunikation betreibt, ist Teilbereich des Fachgebiets Medienmanagement.

Führen wir diesen Gedanken weiter, löst sich eine oft kontrovers diskutierte Frage schlicht auf: Nämlich welche Art von Kommunikation dem Marketing zugerechnet werden könne, und welche Art von Kommunikation irgendetwas anderes betrifft, z.B. Öffentlichkeitsarbeit ist oder Lobbyismus oder Vertrieb. Diese Frage stellt sich nicht, denn alles, was man kommunikativ tun muss, um ein Produkt zu verkaufen, ist Teil des Marketing-Instruments Kommunikation.

Oft wird argumentiert, dass sich Marketing (und damit auch das Marketing-Instrument Kommunikation) an Märkte wende und daher z.B. Public Relations oder das Sponsoring von Kulturveranstaltungen etwas anderes sein müsse. Schauen wir uns dazu an, was ein Markt ist. Ein Markt ist ein Mechanismus, mit dessen Hilfe Preise festgestellt werden, d.h. in dem Preisforderungen und Preisgebote aufeinander treffen und bei einem „Match“ zu einer Transaktion führen: Austausch von Gütern gegen Geld (oder entsprechender Äquivalente).

Insoweit gibt es Kommunikationsangebote, die sehr direkt auf den Markt zielen im Sinne von: Kommunikation, die potenzielle Käufer aktivieren soll, möglichst sofort das Produkt zu kaufen. Darunter fallen ein Großteil der Direct Mails, die millionenfach verschickt werden, Sonderpreise, die in Prospekten, Werbespots oder per Email verbreitet werden und Ähnliches.

Modell strategischer Unternehmenskommunikation (Quelle: Becker 2014, S. 37)
Aber: Es gibt ebenso Kommunikationsangebote, die längerfristig orientiert sind und versuchen, das Produkt symbolisch aufzuwerten oder in „Marketing-Sprech“: die das Image, das sich Kunden und Prospects vom Produkt machen, positiv beeinflussen sollen. Ja, auch diese Kommunikationsangebote sollen irgendwann zu Transaktionen führen. Aber sie sollen diese nicht kurzfristig auslösen, sondern über einen längeren Zeitraum das Produkt aufwerten und Begehrlichkeiten wecken, indem sie die Einstellungen beeinflussen, die Menschen zu dem Produkt haben, von schlichter Kenntnis des Produkts über Eigenschaften, die faktisch nicht vorhanden sind, sondern sich nur im Kopf der Verbraucher abspielen.

Diese Einstellungen entstehen aber nicht als direkte Folge der aktiven Nutzung eines Kommunikationsangebots, sondern – und hier wird es spannend – als Ergebnis eines Prozesses, den wir öffentliche Meinung (public opinion) nennen. Öffentliche Meinung ist ein Mechanismus, der es Einzelnen ermöglicht, komplexe Fragestellungen, schnell und einfach zu beantworten, indem man sich einem öffentlich ausgehandelten Bewertungsfeld anschließt oder nicht. Ob wir Gentechnik positiv oder negativ gegenüberstehen, ist keine Folge einer komplexen Detailanalyse, die tatsächlich Vor- und Nachteile gegeneinander abwägt, sondern Folge einer einfachen Stimmung, welche Argumente oder Sichtweisen wir für uns plausibel halten.

Öffentliche Meinung und Markt sind dabei wesensverwandt: Beides sind Verfahren, die Menschen entwickelt haben, um komplexe Umweltbedingungen zu beobachten. Märkte helfen uns, durch die Aushandlung von Preisen den Wert von Leistungen zu bestimmen. Öffentliche Meinung hilft uns, durch die Aushandlung von Positionen eine individuelle Meinung zu unterschiedlichen Themen zu entwickeln.

Hier kommen wir genau zum springenden Punkt: Konzentriert sich Marketing auf Märkte? Oder konzentriert sich Marketing auf die Vermarktung, was etwas grundlegend anderes bedeutet. Vermarktung – siehe Butlers Definition – betrifft alles, was man tun muss, um letztlich seine Angebote zu einem profitablen, am Markt erzielten Preis abzusetzen. Dazu zählt zweifelsohne der Aufbau einer Marke verstanden als Symbol für Eigenschaften, die Menschen einem Produkt zurechnen, unabhängig davon, ob sie es tatsächlich kaufen (eine Transaktion durchführen auf Basis eines Marktpreises) oder nur eine Meinung zu dem Produkt haben (die Reputation, die ein Produkt oder Unternehmen auf Basis öffentlicher Meinung zugerechnet bekommt). Auch Nichtkunden entscheiden über Markterfolge und was Nichtkunden über ein Produkt „denken“, hat nichts mit dem Markt zu tun. Und eine zweite Dimension macht es noch deutlicher: Was ein Kunde über ein Produkt denkt, nachdem er es gekauft hat, hat auch nichts mehr mit Märkten zu tun, sondern mit Erfahrungen und Meinungen, die der Kunde im Umgang mit Produkt, Unternehmen, anderen Kunden etc. machen.

Wenn wir daher heute von Medienmanagement als einer zentralen Aufgabe im Marketing sprechen, müssen wir den Begriff konkretisieren: Das Marketing-Instrument Kommunikation kümmert sich durch die geplante Veröffentlichung von Kommunikationsangeboten, die über Medien zur Verfügung gestellt werden, um die gezielte Beeinflussung von Meinungen, um dadurch die Menge und den Wert von Transaktionen zu steigern, was dem Zweck des Unternehmens dient, Geld zu verdienen.

In dieser Begriffsweite lässt sich ein Modell entwickeln, dass die Aktivitäten innerhalb des Marketing-Instruments Kommunikation in vier Teibereiche abträgt: Man kann mit Fokus auf die öffentliche Meinung Kommunikationsangebote bereitstellen, die die Akzeptanz gegenüber dem Unternehmen und seinen Produkten steigert. Und man kann mit Fokus auf den Markt Kommunikationsangebote bereitstellen, die das Transaktionsvolumen des Unternehmens steigern.

Dem ersten Aufgabenbereich – Schaffung von Akzeptanz – rechnen wir die strategischen Kommunikationsinstrumente Public Relations und Societal Relations zu. Public Relations kümmern sich um das (passive) Einverständnis der Gesellschaft gegenüber dem Unternehmen. Societal Relations dagegen schaffen (aktive) Unterstützung durch die Gesellschaft.

Dem zweiten Aufgabenbereich – Schaffung von Transaktionen – rechnen wir die strategischen Kommunikationsinstrumente Werbung und Customer Relationship Management zu. Werbung kümmert sich darum, Aufmerksamkeit für Produkte zu schaffen, Customer Relationship Management darum, die Bindung zu bestehenden Kunden möglichst dauerhaft und profitabel auszugestalten.

„Marktwirtschaft fördert durch die in Aussicht gestellten Gewinnchancen Wettbewerb. Mehr Wettbewerb führt automatisch zu einem größeren Angebot. Und größeres Angebot tendiert dazu, dass sich das Leistungsspektrum ausdifferenziert. Unternehmen, die über weitgehend freie Märkte agieren, müssen damit umgehen, dass sich die Leistungsverwertung (Absatz) zu einem Unternehmensengpass entwickelt und sie begegnen dieser Herausforderung durch die Entwicklung eines Instrumentariums, mit dem man versucht, Wettbewerbsvorteile zu erzielen“ (Becker 2014: 27).